Causa Mohrenstraße

Die Auseinandersetzung mit der Geschichte und Gegenwart von Kolonialismus und Rassismus trifft Straßennamen
Straßenumbennung

Ähnlich wie die Umbenennung der Kochstraße am 30. April 2008 in Rudi-Dutschke-Straße begleiten jahrelange Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern und Anwohnern auch die Umbenennung der Mohrenstraße in Anton-Wilhelm-Amo-Straße. Allerdings trägt dieser Streit zum Teil possenhafte Züge und ist, so scheint es zumindest, noch immer nicht ganz ausgefochten, denn vergebens sucht man auf den Straßenschildern den neuen Straßennamen.

Im Juli 2023 hatte das Berliner Verwaltungsgericht die Streichung des Namens „Mohrenstraße“ bestätigt, doch noch sei offen, ob ein Berufungsverfahren zugelassen werde, hieß es. So ist das Urteil des Verwaltungsgerichts, das Klagen von Anwohnern gegen die geplante Umbenennung zurückwies, zunächst nicht rechtskräftig. Daher wurden die Straßenschilder noch nicht ausgetauscht. Wann das Umbenennungsverfahren abgeschlossen sein wird, steht also derzeit nicht fest. Demnach geht die „Causa Mohrenstraße“, die seit Jahren die Gemüter erhitzt, zunächst weiter. Allerdings ist kaum zu erwarten, dass das Gericht eine Berufung zulassen wird. Es hält sich natürlicherweise aus dem politischen Streit heraus und betrachtet die Umbenennung lediglich als „Verwaltungsakt“, historische und politische Gründe seien nicht Gegenstand der Entscheidung gewesen.

Entzündet hatte sich der Streit spätestens im Oktober 2021 zwischen dem Bezirksamt Mitte und den Anwohnern. Zahlreiche Einwände und offizielle Beschwerden gingen beim Bezirk ein, der sie allerdings gänzlich zurückwies. So blieb Anwohnern nichts anderes übrig, als gegen die Umbenennung zu klagen, denn bürgerbeteiligt sahen sie sich zu keiner Zeit. In der Folge geriet die Auseinandersetzung „Politischer Wille gegen Bürgerbeteiligung“ unvermittelt zur „Causa Mohrenstraße“, die sich bis heute in den Schlagzeilen über Berlin hinaus findet.

Zur Herkunft des Straßennamens existieren etliche historische Quellen, allein die politische Aussage, die Straßenbezeichnung sei im Kern rassistisch und schade dem Ansehen Berlins, ist ein solches Totschlagargument, dem in Zeiten von Political Correctness fast nichts entgegenzusetzen ist. Insofern war abzusehen, dass die Klagen der Anwohner letztlich auch vor Gericht, das den politischen Willen „verwaltungstechnisch“ zum Gesetz machen muss, per se erfolglos sein würden. Bereits die Musterklage von prominenter Seite war abgewiesen worden. Darin plädierte der Historiker Götz Aly grundsätzlich für eine Geschichtsbetrachtung jenseits aktueller Moralvorstellungen. Für ihn sei der Straßenname weder rassistisch noch diskriminierend. Im Gegenteil. Historisch gesehen sehe Aly vielmehr eine eher wertschätzende Absicht hinter der ursprünglichen Namensgebung. Geschichte mit unseren moralischen Maßstäben zu interpretieren, sei ohnehin überheblich.

Für den Verein Decolonize Berlin, der sich für die kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte und Gegenwart von Kolonialismus und Rassismus einsetzt, seien derartige Straßenumbenennungen „notwendige Instrumente, um eine Auseinandersetzung mit kolonialen Kontinuitäten im öffentlichen Raum anzustoßen“. Ob allerdings eine Überschreibung von „verdächtigen“ oder angeblich belasteten Straßennamen das richtige Mittel ist, sei dahingestellt.

Bald wird also die Mohrenstraße den Namen von Anton Wilhelm Amo tragen, einem afrikastämmigen Gelehrten aus dem 18. Jahrhundert. Am Braunschweiger Hof gefördert, erhielt Amo eine exzellente Ausbildung und lehrte schließlich als Philosoph an den Universitäten Halle und Wittenberg. Ironischerweise stützt er Götz Alys wertschätzende These in Bezug auf die Mohrenstraße. Als Vertreter der frühen Aufklärung hätte Amo den Streit über die Umbenennung der Mohrenstraße sicher ganz philosophisch gesehen: „Es gibt keine sichere Erkenntnis und Wahrheit von veränderlichen Dingen, weil es immer geschehen kann, dass das Gegenteil eintritt.“

Reinhard Wahren

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