„Ich habe das Aufhören keinen einzigen Tag lang bereut“

Interview zum TV-Drama "Im Rausch"

Am 29. September 2025 um 20:15 Uhr zeigt das ZDF das TV-Drama „Im Rausch“ – ein Film über Sucht, Wahrheit und gesellschaftliche Verantwortung. Wir sprachen mit Regisseur Mark Schlichter und Schauspielerin Friederike Becht.

Regisseur und Autor Mark Schlichter
Friederike Becht spielt eine alkoholkranke Journalistin

Herr Schlichter, Sie haben nicht nur Regie geführt, sondern auch das Drehbuch geschrieben – und dabei Ihre eigene Alkoholabhängigkeit verarbeitet. „Im Rausch“ ist also nicht nur ein Filmprojekt, sondern auch eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit Ihrer Geschichte.

Mark Schlichter: Persönlicher ging es nicht. Als ich nach Jahrzehnten endlich begriffen hatte, dass ich den Alkohol nicht mehr reduzieren und eben nicht nur ab und zu alle paar Tage mal ein Gläschen trinken konnte, musste ich in einer Klinik fünf Tage entziehen. Das war meine Rettung – und der Weg aus einer schweren Depression! Wie der Schauspieler Liam Neeson und viele andere es auf der tollen und auch noch unterhaltsamen Insta-Seite „Sober Celebs“ sagten: „Ich habe das Aufhören keinen einzigen Tag lang bereut!“ Die Interviews mit Brad Pitt und Bradley Cooper sind auch großartig! Fazit: Alkohol entwickelt sich über einen langen Zeitraum zu einem schweren, oft tödlichen Depressivum. Und der Kampf dagegen lohnt sich für jeden – auch gesellschaftlich. Schon aus finanziellen Gründen. Wenn man mit dem Problem anders umgehen würde, hätten wir Milliarden, die man in wichtige soziale Projekte stecken könnte.

Frau Becht, Sie spielen eine alkoholkranke Journalistin, deren Leben zunehmend aus der Bahn gerät. Wie haben Sie sich auf diese komplexe Rolle vorbereitet?

Friederike Becht: Ich habe Gespräche mit Menschen geführt, die alkoholkrank sind oder waren – und es sind mehr, als man denkt. Viele verbergen ihre Erkrankung lange Zeit, oft sogar vor sich selbst. Die Angst, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen, die eigene Scham zu überwinden, die Sucht überhaupt zu benennen – dieser Weg aus der Selbstlüge hin zur Ehrlichkeit und Heilung hat mich tief bewegt. Diese Begegnungen haben mir sehr geholfen, die Rolle zu durchdringen.

Katja (Friederike Becht) lernt in einer Bar Eddi (Hans Löw) kennen

Was wünschen Sie sich, dass das Publikum nach dem Film mitnimmt – im besten Fall?

Mark Schlichter: Es wäre großartig, wenn möglichst viele Menschen das Thema etwas ernster nehmen würden. Es gibt im Netz sehr viele Infos und Hilfsangebote, die man sich anschauen sollte. Die Menschen, die abends mal zwei, drei Bier oder Wein in fröhlicher Runde trinken, haben gute Chancen, dass sich die Sucht über Jahrzehnte immer stärker einschleicht. Das ist das Perfide – und endet gerne mit einer deftigen Alkoholdemenz. Gehirnschrumpfung durch Alkoholkonsum ist keine neue Erkenntnis. Es ist wichtig zu begreifen, dass es wirklich alle treffen kann. Und dass wir als Gesellschaft anders mit der Krankheit umgehen sollten. Die Alkoholsucht wird von Wissenschaftlern als ein „biochemisches Ereignis“ angesehen, das sich bei einer Personengruppe heftiger „einschleicht“ und dann extrem hart zuschlagen kann, während es die andere Gruppe kaum betrifft. Es hat also nichts mit Charakterschwäche oder Dummheit zu tun. 75.000 Personen sterben jedes Jahr in Deutschland an den Folgen der Alkoholsucht.

Was müsste sich gesellschaftlich ändern, damit wir besser mit Alkoholabhängigkeit umgehen können?

Mark Schlichter: Es braucht mehr Aufklärung, mehr Offenheit und weniger Tabuisierung. Alkoholabhängigkeit ist eine Krankheit, die sich über Jahre entwickelt – und sie betrifft Menschen aus allen Bereichen. Der gesellschaftliche Umgang damit ist oft von Unwissen und Vorurteilen geprägt. Dabei lohnt sich der Kampf dagegen für jeden – auch für die Gesellschaft insgesamt.

Frau Becht, wie haben Sie die Begegnungen mit Betroffenen erlebt?

Friederike Becht: Ich fand es sehr bewegend, mit welcher Offenheit viele über ihre Geschichte gesprochen haben. Der Moment, in dem sie ihre eigene Sucht anerkannt haben, war oft der Wendepunkt. Diese Offenheit hat mir geholfen, Katjas innere Kämpfe glaubhaft darzustellen. Es ist ein Thema, das viel Mut erfordert – und genau diesen Mut habe ich bei vielen gespürt.

Danke für das Gespräch.

Am 29. September 2025 um 20:15 Uhr zeigt das ZDF das TV-Drama „Im Rausch“ 
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