Hertha BSC – Wohin des Weges?

Im letzten Jahr sind mehr als eine Million Zuschauer zu Herthas Heimspielen gekommen. Das ist der beste Wert seit 1999, als sich die Berliner zum ersten und bisher einzigen Mal für die Champions League qualifiziert haben

Für den Neuanfang der Hertha gibt es sportlicherseits noch viel Potenzial nach oben. Aber vielleicht haben sich das die Hertha-Bosse auf ihrer Liste der Vorhaben für 2025 an erster Stelle vermerkt.

Als 2022 Kay Bernstein zum Präsidenten von Hertha BSC gewählt wurde, war dies ein Zeichen für einen Neuanfang bei der alten Dame des Berliner Fußballs. Die zuvor gehegten Träume vom Big-City-Club und das darauffolgende Desaster bei der Umsetzung wurden mit Bernstein als Ausrichtung für den Verein ad acta gelegt. Bodenhaftung, bessere Nachwuchsförderung und Konsolidierung der Finanzen waren die dazu passenden, neuen Leitlinien. Als der 43-jährige Bernstein Anfang 2024 jedoch überraschend verstarb, kam dem Verein und seiner neuen Ausrichtung die  Gallionsfigur abhanden. So wurde die Hertha seitdem kommissarisch geführt von Bernsteins Vertreter Fabian Drescher. Bei der Mitgliederversammlung Ende November 2024 wurde der 42-jährige Drescher nun in einer Wahl als Präsident bestätigt. Drescher setzte mehr auf Zusammengehörigkeit und Fortführung des von Bernstein eingeschlagenen Weges der Konsolidierung als auf neue Versprechungen, wie es einige andere Anwärter auf das Amt versuchten. Das verfing aber bei den Vereinsmitgliedern nicht mehr. Zu tief sind noch die Wunden vom Projekt Big-City-Club, und zu groß ist die Abscheu gegenüber Akteuren, die den Verein als eigene Profilierungsbühne missbraucht hatten. So wurde der Rechtsanwalt Drescher mit großer Mehrheit zum neuen Präsidenten gewählt.

Das siebenköpfige Gremium mit Fabian Drescher (4.v.l.) an der Spitze und Anne Noske als Vizepräsidentin

Und sportlich? Hertha beendete die erste Zweitligasaison nach dem Abstieg 2023 auf einem enttäuschenden neunten Platz. Daher wurde die Zusammenarbeit mit Pal Dardai, dem Hertha-Urgestein auf dem Cheftrainerposten, im Sommer mit Ablauf der Saison beendet. Für die nun laufende Saison war das Ziel: um den Aufstieg mitspielen!  Auserkoren hatte die sportliche Führung von Hertha BSC dafür den Trainer vom 1. FC Nürnberg, Christian Fiel. Da dieser noch vertragsgebunden war, wurde eine Ablöse in Höhe von 500 000 Euro an den 1. FC Nürnberg fällig. Zum Ende des Jahres, zur Winterpause und der Hälfte der zu absolvierenden Spiele, lag Hertha BSC auf einem enttäuschenden 12. Rang in der 2. Bundesliga. Bezeichnend für die sportliche Enttäuschung waren das letzte Heimspiel des Jahres 2024, welches 1:2 gegen den Tabellenletzten Preußen Münster im Olympiastadion verloren ging. Sowie das darauffolgende torlose Unentschieden bei Hannover 96, bei dem die Hertha 30 Minuten mit einem Akteur mehr auf dem Feld standen als der Gegner, und es der Hertha nicht gelang, diese Überzahl in Tore umzumünzen. Nach nur einem Sieg aus den letzten sieben Liga-Spielen steckt Hertha BSC weiter in der unteren Tabellenhälfte der 2. Fußball-Bundesliga fest. „22 Punkte in 17 Spielen ist zu wenig für unsere Ansprüche. Damit sind wir null Komma null zufrieden“, berichtete Sportdirektor Benjamin Weber und stellte im selben Atemzug klar: „Es gibt keine Trainerdiskussion.“ 

Von acht Heimspielen der ersten Saisonhälfte hat Hertha fünf verloren und nur zwei gewinnen können

Zu tief sind noch die Wunden vom Projekt Big-City-Club, und zu groß ist die
Abscheu gegenüber Akteuren, die den Verein alseigene Profilierungsbühne
missbraucht hatten. So wurde der Rechtsanwalt Drescher mit großer Mehrheit 
zum neuen Präsidenten gewählt.

Dabei liegen bisher in der 2. Bundesliga in der aktuellen Saison die Teams alle noch relativ eng zusammen. Es gibt weder an der Spitze Teams, die den Konkurrenten enteilt sind, noch am Tabellenende Mannschaften, die hoffnungslos abgeschlagen sind. Mit anderen Worten: Mit so wenig Punkten um den Aufstieg mitspielen zu können, wäre die Gelegenheit dieser Saison. Nur Hertha möchte von dieser Gelegenheit eben nicht Gebrauch machen. Das Polster auf die Abstiegsränge beträgt noch acht Punkte. Nach unten will man sich jedoch nicht orientieren, und für den Traum des Wiederaufstiegs tut die Mannschaft zu wenig. Von acht Heimspielen der ersten Saisonhälfte haben die Berliner fünf! verloren und nur zwei gewinnen können. Langsam macht sich unter der Anhängerschaft Unmut breit. Trotz allem sind im Jahr 2024 mehr als eine Million Zuschauer zu Herthas Heimspielen gekommen. Das ist der beste Wert seit 1999, als sich die Berliner zum ersten und bisher einzigen Mal für die Champions League qualifiziert haben. Beim eingangs zitierten Neuanfang der Hertha gibt es sportlicherseits noch viel Potenzial nach oben. Aber vielleicht haben sich das die Hertha-Bosse auf ihrer Liste der Vorhaben für 2025 an erster Stelle vermerkt.

Steffen Dobrusskin

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