Das Regierungsviertel wächst

Mit dem Luisenblock Ost sollen neue Büroräume für den Deutschen Bundestag entstehen
Wettbewerb für den Luisenblock entschieden

Der seit vielen Jahren geplante Luisenblock Ost soll nun gebaut werden: Das Preisgericht des Realisierungswettbewerbes stimmte für den Entwurf des Ateliers Kempe Thill Thörner Kaczmarek aus Düsseldorf.

Das „Band des Bundes“ prägt seit den 1990er Jahren das neue Zentrum von Berlin zwischen Reichstag und Hauptbahnhof. Das westliche und das östliche Ende des Bandes werden derzeit erweitert und gestalterisch neu definiert. Die Erweiterung des Bundeskanzleramtes nach Westen und die Bebauung des Luisenblocks im Osten sind Ausdruck der wachsenden Polit- Bürokratie im Herzen der Hauptstadt. Das „Entwicklungsgebiet Hauptstadt Berlin – Parlaments- und Regierungsviertel“, wie es offiziell heißt, füllt sich. Deutschland leistet sich eines der größten Parlamente der Welt und anstatt die Anzahl der Abgeordneten zu reduzieren, expandieren die Büros der MdBs in Berlin und füllen mittlerweile ganze Stadtviertel.

Was aus Steuerzahlersicht misslich sein mag, ist für das klamme Berlin jedoch ein Segen: Der Luisenblock- Ost war trotz mehrerer Anläufe weitgehend unbebaut geblieben und ist bis heute eine unschöne Brache im Zentrum der Stadt. Haupteigentümer des Areals ist der Bund. Das Karree soll mit neuen Bürohäusern für Abgeordnete bebaut werden. Dafür musste die Frage geklärt werden, wie das Band des Bundes an seinem östlichen, urbanen Ende auf die Stadt treffen soll und wie somit der Bund und seine Bundeshauptsatdt miteinander städtebaulich korrelieren. In einem Wettbewerb konnte sich das deutsch-niederländische Architekturbüro Atelier Kempe Thill mit seinem Entwurf für das 15 500 Quadratmeter große Areal durchsetzen. Das Büro wurde im Jahr 2000 von André Kempe und Oliver Thill gegründet.

So soll der Neubau im Luisenblock aussehen. Den Wettbewerb hat Atelier Kempe Thill gewonnen

In ihren Neubauten sollen 600 Büros, davon 330 Abgeordnetenbüros, vier Ausschusssitzungssäle, Besprechungs- und Schulungsräume, eine Cafeteria, Archiv, Rechenzentrum sowie ein Postverteilzentrum untergebracht werden. Für den Wettbewerb hatten sich in der ersten Stufe 67 Architekturbüros beworben, 17 waren ausgewählt worden, 16 hatten einen Beitrag eingereicht, unter denen das Preisgericht den 1. Preis an den Vorschlag des Büros aus den Niederlanden vergab.

Das Karree wird durch die Luisenstraße, das Bahnnetz, den Schiffbauerdamm sowie zwei Bauten im Osten begrenzt. Die Kubatur der vorgeschlagenen Neubauten orientiert sich am „Band des Bundes“, die Fassadengestaltung greift die Materialität der benachbarten Industriehalle auf, die derzeit von RTL genutzt wird. Dass schon in einem städtebaulichen Wettbewerb so genaue Aussagen zur Architektur gemacht werden, ist durchaus ungewöhnlich. Beispielsweise schlagen die Autoren des Siegerentwurfs „Holzhybrid-Gebäude“ vor.

Das Modell von Atelier Kempe Thill Thörner Kaczmarek zeigt den Bau entlang der Spree

Diese Konstruktionen aus Holz und Stahlbeton gelten als potenziell umweltfreundlich und sind derzeit schwer in Mode. Durch die Anlehnung der Neubauten an die Bestandsgebäude „gelingt eine Vermittlung an einem Ort, der bislang keine Prägung hat“, so die Jury. Zur Spree hin soll ein Freibereich mit Gastronomie und Hauptzugang entstehen. Zweigeschossige Stadtloggien sind den Ausschusssitzungssälen vorgelagert. Für die Neubauten sind Kosten von 893 Millionen Euro kalkuliert. Baubeginn ist für 2027 vorgesehen, die Fertigstellung für 2034.

Der neue Wettbewerb hat schon eine lange Vorgeschichte, die erklärt, warum das Filet-Grundstück im Herzen der Stadt so viele Jahre lang brach lag. Bereits 2009 war ein Wettbewerb veranstaltet worden, aus dem der Siegerentwurf vom Büro Kusus + Kusus (Berlin) hervorging. Die vorgeschlagene ellipsenförmige Bebauung, die das „Band des Bundes“ abschließen sollte, wurde jedoch anschließend verworfen, auch weil ein Gebäude der Ver.di-Gewerkschaft hätte abgerissen werden müssen. Jetzt wurde das Areal in den „Luisenblock Ost I und II“ geteilt. Für das östliche Areal, wo Büro-, Gewerbe- und Wohnflächen geplant sind, soll ein zweiter Wettbewerb durchgeführt werden.

Für die Erweiterung des Bundeskanzleramts nach Entwurf von Schultes Frank Architekten steht ebenfalls ein Budget von vielen hundert Millionen Euro parat. Zusätzlich wird derzeit das Ausweichquartier für das Bundespräsidialamt nach Plänen von Sauerbruch Hutton gebaut. Das 900 Meter lange Band des Bundes, das quer über den Spreebogen führt, war das Leitkonzept für die Neuordnung des Regierungsviertels. Bundeskanzleramt, Paul-Löbe-Haus und Marie-Elisabeth-Lüders-Haus wurden gebaut, das Band blieb dennoch ein Fragment, denn das Bürgerforum in sei-nem Zentrum wurde nicht realisiert.

Der massive Beton-Riegel, der zweimal mit seinen Brücken die Spree kreuzt, liest sich bis heute nicht als durchgehendes Band. Wie schwer es dem Bund fällt, termin- und budgetgerecht zu bauen, bewies zuletzt die Erweiterung des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses um zwei Höfe nach Osten, in dessen Zuge der Haupteingang an die Luisenstraße verlegt wird. Schon 2015 sollte das Erweiterungsbauwerk fertiggestellt werden, nun ist die Fertigstellung für dieses Jahr geplant, also fast zehn Jahre später.

Das Reichstagsgebäude im Zentrum des Regierungsviertels

Die Kosten sind von 190 Millionen Euro auf 340 Millionen Euro gestiegen. Um den akuten Platzmangel zu lindern, wurde als Übergangslösung ein Bürohaus in modularer Holzbauweise gebaut. Der Entwurf für die Neugestaltung des Spreebogens als Regierungsviertel stammt von 1992 und ist somit schon mehr als 30 Jahre alt. Der „Ort der Öffentlichkeit mit Cafés, Galerien und Geschäften“, wie Schultes ihn sich erträumt hatte, war von Helmut Kohl abgelehnt worden, um dem Kanzleramt, das er nie mehr bezog, eine Solitärwirkung zu geben. Das Band ist ein symbolischer Brückenschlag zwischen Ost und West, da die Spree hier die Grenze zwischen West- und Ost-Berlin bildete. Symbolisch sollte aber auch das Kanzleramt nicht in Konkurrenz zum Parlament treten. Das Band sollte alle Institutionen zusammenführen. Stattdessen wirken Bundeskanzleramt und Paul-Löbe-Haus wie zwei Monolithen, die sich gegenüberstehen. Die Sichtbetonästhetik, die der Münchner Architekt Stephan Braunfels seinem Paul-Löbe- und dem Marie-Elisabeth- Lüders-Haus gab, soll nach den Vorstellungen der Gewinner des neuen Wettbewerbs für den Luisenblock an der Luisenstraße enden.

Ulf Meyer

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