Schöne neue Welt?

Humanoide Roboter, die etwa die Größe eines Erwachsenen haben, könnten in kleineren Wohnräumen durchaus Platzprobleme verursachen.
Wohnen mit Roboter

Wohnen mit einem Roboter, also einem freundlichen technischen Wesen, gern auch in menschenähnlicher Anmutung, ist noch mehr Idee als Alltag. Aber wenn erstmal eine Vision Gestalt annimmt  und  technologisches Know-how global in Fahrt kommt, werden Roboter womöglich schneller als gedacht zum Bestandteil des Wohnens

Auf der Roboterkonferenz, der ersten ihrer Art in China im vergangenen Jahr, wurden 27 humanoide Robotertypen vorgestellt. In China gibt es die meisten Entwicklungen und der „Astribot S1“ in weiß gilt als ein echtes Novum im Bereich der angenehmen, bereits multitalentierten Serviceroboter. Er soll nicht nur staubsaugen können, sondern auch Kaffee kochen und Waffeln backen, was auf Supertechnologien in seinem Innern verweist. Aber auch Polen, Norweger, Amerikaner, französische und deutsche Firmen bauen an der Zukunft. Von Tesla soll bis zum Ende dieses Jahres der „Optimus“, ein humanoider Roboter mit Wespentaille im Schwarz-Weiß-Look mit Visier samt respektabel greifenden fünf Fingern auf den Markt kommen. Von Elon Musk stammt auch die zumindest sonderbar anmutende Vision, dass es in Bälde „mehr Roboter als Menschen“ geben wird.

Der Blick ins reale Leben, etwa in die Vorgärten im freundlich voranschreitenden Frühling zeigt: Es gibt schon viele automatisierter fleißige Helfer. Der Rasenroboter ist dabei nicht einmal mehr ein Neuling.  Man hat sich längst an den Anblick an die über Rasenflächen zuckelnden Geräte gewöhnt, die scheinbar eigensinnig kreuz und quer, aber natürlich elektronisch unbeirrt ihrem Ziel entgegenarbeiten: ein gestutzter Rasen. Ein Rasenroboter mäht und mulcht und das ist erstmal sehr erfreulich.  Natürlich darf man ihn nicht überallhin lassen, denn Rasen ist Rasen, aber eine Wiese ist eine Wiese! Dabei geht es sowohl um den Schutz der Artenvielfalt als auch um die Schönheit einer gräser- und blumenreichen Wiese.
 

Ihre Bewegungsfreiheit erfordert auch ausreichend Raum, damit sie effektiv arbeiten können, wie bei der Küchenarbeit helfen

Zurück zum Wohnen! Hier helfen bereits in etlichen Haushalten Wisch- oder Saugroboter, seltener noch Grillreiniger- und Fensterputzroboter, die alltägliche Hausarbeit zu erleichtern. Es sind monothematisch agierende Dienstleister. Die Nachfrage steigt erheblich. Der Wunsch ist offenbar, dass die Neuen mehr können sollten. Sie sollten schneller und komplexer arbeiten, Wäsche zusammenlegen, einen Geschirrspüler bestücken, einen Kühlschrank ein- und aussortieren samt Reinigung, dazu heben, kochen, backen. All diese Lieblingstätigkeiten des Alltags funktionieren noch nicht. Noch ist es Zukunftsmusik. Bisher agieren die dafür erprobten Roboter zumeist noch im Schneckentempo. Doch es wird nicht mehr lange dauern, bis sie Teil unseres Alltags sind. Denn sie lernen immer mehr dazu. Sie führen programmierte und selbstoptimierte Handlungen aber noch eckig und ruckartig aus und jede auf Alltagsdynamik selbstoptimierte, multifunktional agierende lebendige Person würde wahnsinnig werden, müsste sie diese staksigen Bewegungen mitanschauen. Es würde sie an Pubertierende erinnern, die ihren Widerwillen zelebrieren. Da ist also noch allerhand zu tun. Dennoch gilt: Der Einzug hilfreicher Roboter ins Zuhause hat zumindest begonnen.

In Pflege- und Medizineinrichtungen übernehmen die vorerst in Pilotprojekten eingesetzten Typen einfache „Assistenzarbeiten“. Sie messen, notieren, transportieren. Die sogenannten „sozial humanoiden Roboter“ wie etwa der 120 Zentimeter große und 40 Kilogramm schwere „Pepper“ sollen als putziges Gegenüber mit Comicgesicht Kranken und/oder Pflegebedürftigen Interaktionen ermöglichen und ihnen Gesellschaft leisten. Letzteres ist in Japan deutlich populärer, wo der „Robear“ schon 2019 den Markt erobert hat. Eine Untersuchung der Universität in Lausanne hat ergeben, dass um so stärker Roboter personalisiert und mit Kosenamen ausgestattet werden, um so eher entwickeln ihre Benutzer Empathie und haben ein schlechtes Gewissen, wenn es an Arbeit zu viel wird oder der Robi sich an der Suhlkante stößt.

Das polnisch-amerikanische Startup Clone Robotics wiederum will es genauer wissen und entwickelt einen androiden Roboter, den  „Protoclone“. Bei ihm geht es nicht mehr nur um menschenähnliches Aussehen und Agieren, sondern um unmittelbare Nachahmung mit über eintausend Muskelfasern, fünfhundert Sensoren und der Fähigkeit, bis zu zweihundert Bewegungen ausführen zu können. Er kann noch nicht selbstständig stehen, aber Brötchen schmieren, kann er schon. Freilich nicht nur das! Etliche Autoren aus der Fachwelt schauen mit Erstaunen und Skepsis auf dieses technische Wunder. „Protoclone“, so heißt es vielstimmig, changiere zwischen „Faszination und Grusel.“ Wer will schon so einen Mitbewohner, nur weil er Kaffee kochen kann und Essen zubereiten?

Der einzige Roboter, der es bei uns bis in die Wohnung geschafft hat, sieht sehr freundlich aus, konnte so dies und das, hat uns 
alle unterhalten und liegt 
nun zumeist in einer reich bestückten Spielkiste.

Das Zusammenleben mit einem Roboter ist Zukunftsmusik. Ihre Alltagstauglichkeit ist noch begrenzt

Anders sieht es im Industriebereich aus, speziell auch in Reinigung, Logistik und Montage. Hier muss der Roboter effizient funktionieren. Schön im Sinn einer technischen Ästhetik sollte er auch optisch sein, aber menschlich aussehen eher nicht.

Es ließe sich zusammenfassen: Als zukünftige Familienmitglieder sollen die Roboter nicht nur schnöde Arbeit leisten und dann in der Besenkammer verschwinden, sondern sie dürfen gern auch ansehnlich sein. Sie sollten höflich bleiben auch in Konfliktsituationen und mit den Bewohnern kommunizieren, dabei deren Stimmung erkennen und adäquat reagieren. Was nützt uns ein cholerischer Roboter? Ein Wutexemplar? „Hallo!“ am Morgen und „Wie geht’s? Was sollte ich tun?“, verbunden mit einem Lächeln, wäre die Mindestkommunikation. Prototypen mit diesen „emotionalen“ Fähigkeiten werden bereits offeriert. Ihr Preis ist allerdings noch längst nicht alltagstauglich,  aber mit ihnen winkt die Zukunft herüber. Ganz bald – so ist es Konsens – werden zumindest humanoide Roboter, egal ob mit Haut und Haar oder abstrakt,  so selbstverständlich sein wie das Internet.

Der einzige Roboter, der es bei uns bis in die Wohnung geschafft hat, sieht sehr freundlich aus, konnte so dies und das, hat alle unterhalten und liegt nun in einer reich bestückten Spielkiste. Denn sehr schnell hauchte er sein, mit etlichen Batterieladungen immer wieder neu aktiviertes Leben aus.

Es bedeutet also, Ruhe zu bewahren, dabei neugierig zu bleiben, die meisten Dinge lieber selbst zu machen und sich genussvoll Auszeiten zu gönnen, sei es beim Kochen oder auf dem Sofa. Die Innovationen für individuelle Interieurs haben in den letzten Jahrzehnten, möchte man sagen, mit viel Schönem und Funktionalem, mit fantastischen Farben und Oberflächen erfreut. Lassen wir  die Bots doch einfach noch üben!

Anita Wünschmann

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