Man stelle sich vor: Auf der Spree gleiten Stand-up-Paddler vorbei, während am Ufer futuristische Pavillons stehen, die sich wie bunte Schaufenster der Welt aneinanderreihen. Berlin als Bühne einer Weltausstellung – ein Szenario, das derzeit nicht nur in den Köpfen von Visionären, sondern auch in konkreten Initiativen Form annimmt.
Mehrere zivilgesellschaftliche Gruppen, allen voran der Verein Global Goals für Berlin e.V., treiben die Bewerbung für die EXPO 2035 voran. Ihr Konzept: eine dezentrale, nachhaltige Weltausstellung, die nicht nur auf einem Messegelände stattfindet, sondern die ganze Stadt einbezieht – vom ehemaligen Flughafen Tegel über das BER-Areal bis hin zu Kiezen, die als „Labore“ für urbane Zukunftsideen dienen sollen. „Unser Ziel ist es, Berlin im Herzen Europas zur Bühne für Innovation, Nachhaltigkeit und gesellschaftlichen Wandel zu machen“, sagt Initiator Henning Wehmeyer.
Die Architekten von Graft haben dazu erste Visualisierungen vorgelegt. Sie zeigen keine abgeschotteten Messehallen, sondern eine Stadt als Ausstellung: Pavillons, die sich in bestehende Quartiere einfügen, offene Plätze als Begegnungsräume und eine Architektur, die bewusst auf Nachnutzung setzt. Besonders auffällig ist die Idee einer fahrerlosen Magnetschwebebahn, die Besucher emissionsfrei durch die Stadt bringen soll. Kritiker bemängeln jedoch, dass die Entwürfe nicht besonders originell seien – vieles erinnere an bereits bekannte Konzepte früherer Weltausstellungen.
Auch darf man skeptisch sein angesichts der Finanzierung. Kritiker erinnern an die Kostenexplosionen vergangener Großprojekte – vom BER bis zur gescheiterten Olympia-Bewerbung. „Braucht Berlin das? Kann Berlin das? Und will Berlin das überhaupt?“, fragte jüngst ein Kommentar in der Berliner Zeitung.
Die Olympia-Bewerbung 2000 scheiterte an mangelnder Unterstützung, der Hauptstadtumzug war von endlosen Debatten begleitet, und selbst ambitionierte Kulturprojekte wie die Internationale Bauausstellung zeigten, wie schwer es Berlin fällt, große Ideen in pragmatische Realität zu übersetzen. „Wir haben schon genug Großbaustellen, da brauchen wir nicht noch eine EXPO“, sagt eine Berlinerin aus Neukölln. Andere sehen gerade darin eine Chance, die Expo als Wendepunkt, ein Projekt, das zeigt, dass Berlin es diesmal schafft.
Doch ist eine Weltausstellung heute überhaupt noch von großer Bedeutung? Früher waren Expos Orte des Staunens, weil Menschen und Länder noch nicht so eng verbunden waren. Wer damals eine Weltausstellung besuchte, sah zum ersten Mal technische Wunderwerke, fremde Kulturen oder architektonische Experimente. Heute dagegen reisen wir selbstverständlich, Innovationen verbreiten sich in Sekunden und vieles wirkt schon bekannt, bevor es überhaupt gezeigt wird. Statt Staunen droht ein müdes Gähnen – es sei denn, der Expo gelingt es, mit originellen Themen und überraschenden Ideen zu begeistern.
Die Vision von Stand-up-Paddlern vor futuristischen Pavillons auf der Spree ist verlockend. Doch die Realität könnte härter sein: Eine Expo kostet Milliarden, und Berlin ist nicht gerade dafür bekannt, Großprojekte reibungslos und im Kostenrahmen zu stemmen. Vom Flughafen BER bis zur Olympia-Bewerbung – die Liste der Mahnmale ist lang.
Die Bewerbung für die Expo 2035 ist mehr als ein Traum von Glanz und globaler Aufmerksamkeit. Sie ist ein Stresstest für die Frage, ob Berlin nicht nur Ideen hat, sondern auch die Fähigkeit, sie solide zu finanzieren und umzusetzen. Zwischen Aufbruch und Skepsis bleibt die entscheidende Frage: Kann sich die Stadt eine Weltausstellung leisten – und will sie das Risiko überhaupt eingehen?