Very British

Steep Lane Baptist Chapel, buffet lunch, England, 1977
Martin Parrs frühe Blicke auf das Banale

Mit der Ausstellung Martin Parr. Early Works rückt ein bislang weniger bekannter Teil des Werks des britischen Fotografen ins Zentrum: seine frühen Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus den 1970er und 1980er Jahren. Die Schau zeigt, wie Parr bereits zu Beginn seiner Karriere mit präzisem Blick und feinem Gespür für soziale Milieus arbeitete – lange bevor seine farbintensiven, satirischen Porträts der britischen Gesellschaft internationale Bekanntheit erlangten.

Tom Greenwood, Hangingroyd Road, Hebden Bridge, England, 1975
St Pauls School, Darjeeling, India, 1984

Zu sehen sind dokumentarische Serien über Vogelklubs in Surrey, Pilgerreisen nach Irland, Urlaube in den Highlands und Fußballspiele in der Provinz. Parrs Interesse gilt dem Alltäglichen, dem Lokalen, dem scheinbar Banalen – und genau darin liegt die Stärke seiner Bilder. Mit ironischer Zuspitzung und subtiler Übertreibung gelingt es ihm, gesellschaftliche Routinen sichtbar zu machen und dabei die komischen wie auch kritischen Aspekte des Lebens auf der Insel herauszuarbeiten.
Die Ausstellung bietet nicht nur einen Einblick in die Anfänge eines der einflussreichsten Fotografen der Gegenwart, sondern auch in eine Zeit, in der dokumentarische Fotografie noch stärker als heute von Nähe und Langzeitbeobachtung lebte. Wer Parrs spätere Arbeiten kennt, entdeckt hier die Wurzeln seiner Bildsprache – und eine frühe Faszination für das, was zwischen den Zeilen passiert.

Mit der Ausstellung Martin Parr. Early Works rückt die Neue Nationalgalerie einen bislang wenig bekannten Teil des Werks des britischen Fotografen ins Licht: seine frühen Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus den 1970er Jahren. Die Schau versammelt dokumentarische Serien, die Parrs scharfen Blick für soziale Rituale und Alltagskomik bereits in jungen Jahren erkennen lassen.
Zu den Höhepunkten zählen Aufnahmen wie Mayor of Todmorden’s Inaugural Banquet (1977), eine Szene am Buffet, in der sich hungrige Gäste dicht an dicht drängen – ein Bild, das zwischen britischer Provinzposse und subtiler Gesellschaftskritik changiert. In Surrey Bird Club (1972) widmen sich zwei Paare mit Ferngläsern der Vogelbeobachtung, während Glastonbury Tor eine Kuh zeigt, die scheinbar als Touristin vor dem berühmten Hügel posiert – eine absurde Umkehrung menschlicher Sehgewohnheiten.
Parrs Fotografien wirken auf den ersten Blick nostalgisch oder romantisch, doch sie sind alles andere als harmlos. Mit fast ethnografischer Präzision untersucht er das Verhalten seiner Protagonist:innen, legt soziale Codes offen und entlarvt die Komik im Gewöhnlichen. Die Ausstellung zeigt, wie Parr bereits früh eine Bildsprache entwickelte, die bis heute zu den markantesten der dokumentarischen Fotografie zählt. Ein Besuch lohnt sich – nicht nur für Fans britischer Eigenheiten. 

Diesen Artikel teilen:

Mehr zum Thema »Kultur, Ausstellungen«

Sony World Photography Awards 2025
Ein fotografischer Beitrag zur Erinnerungskultur
„Heute noch, morgen schon“ in der Nikolaikirche
Ausstellung im Bröhan Museum