Für die einen war es die Erinnerung an die 90er-Jahre und an ein Berlin im Aufbruch – noch roh, improvisiert und voller Möglichkeiten. Die unfertige Stadt hatte ihren ganz eigenen Reiz: Leerstehende Gebäude wurden zu Ateliers oder Clubs, auf den Straßen entstanden spontane Kunstaktionen. Inmitten dieser Atmosphäre des Wandels entstand ein Projekt, das wie kaum ein anderes die Stimmung jener Zeit einfing – die Verhüllung des Reichstags mit hellen Stoffbahnen durch Christo und Jeanne-Claude.
Für andere, die das Original nicht selbst erlebt hatten, denen es als Postkartenmotiv aber vertraut war, wurde die Lichtinstallation zur ersten Begegnung mit einem Werk, das längst Teil kollektiver Erinnerung geworden ist. Zwölf Nächte lang, vom 9. Juni 2025 an, wurde die Fassade des Reichstags mithilfe von 24 Hochleistungsprojektoren in eine digitale Skulptur verwandelt. Die Lichtinstallation rekonstruierte die Bewegung von Stoffbahnen – mal in Morgenrot, mal in Abendorangerosa – und simulierte so die Verhüllung vom Sommer 1995. Es war ein Ereignis, das einst die Welt auf Berlin blicken ließ. Christo und Jeanne-Claude hatten das Projekt über zwei Jahrzehnte hinweg geplant und politisch verhandelt. Als es schließlich umgesetzt wurde, war es ein Kunstwerk – und zugleich ein Symbol für Wandel, für Mut und die Kraft einer Idee. Die Lichtinstallation im Jahr 2025 griff diese Erinnerung auf: als Hommage, als visuelle Rückblende und Blick in das Berlin der 90er-Jahre. Initiiert wurde das Projekt von dem Veranstalter und Kulturmanager Peter Schwenkow und dem Unternehmer Roland Specker in Kooperation mit der Christo and Jeanne Claude Foundation. Die Finanzierung erfolgte privat; das Budget lag bei rund einer halben Million Euro. Parallel zur Projektion eröffnete die Dauerausstellung in der Neuen Nationalgalerie mit dem Werk „Verpackter VW Käfer“, im Reichstagsgebäude gibt es eine Dauerausstellung zur Verhüllung von 1995 mit Modellen, Dokumenten und Fotos.